GERA: Hallo Joerg, hallo Christina. Wir kennen uns seit Schul­zeit und Studium, als Freunde, und Kollegen. Ihr seid Designer/in aus Leiden­schaft, habt in den frühen 90ern in Hamburg gearbeitet für Rolf Heide und gemeinsam für Jan Wichers. Danach viele Jahre Design­verantwortung für Bosch Küchen und SieMatic. Seit mehr als zehn Jahren betreibt Ihr ein eigenes Design­büro in Biele­feld und gestaltet für die Möbel­industrie. Was hat sich am „Möbel­designen“ als Profession aus Eurer Sicht in den vergangenen 25 Jahren verändert?

Joerg Dietz: Die Möbel­branche konzentriert sich. Her­steller und Zulieferer werden größer, die kleineren verschwinden. Die „time to global market“ diktiert Tempo und Gestalt. Der Preis entscheidet. Das hat zur Folge, dass Produkt­manager und Ein­käufer oftmals den Designer ersetzen und die Sorti­mente der Hersteller sich immer mehr angleichen. Ohne Unter­scheidungs­merkmale aber erreichen die Hersteller ihre Kunden nicht mehr. Hier ist es Aufgabe des Designs, Differen­zierungen zu ermöglichen und klare Marken­bilder aufzubauen.

Christina Balcke-Herlyn: Genau. Zumal sich der Trend zum günstigen, aber austausch­baren Massen­produkt wieder umkehrt: Wer Indivi­dualität und Qualität sucht, greift zum hand­gefertigten Möbel. 

GERA: Christina, Du hast neben Deiner Arbeit als Designerin schon früh deine Leiden­schaft für das Malen entdeckt. Was ist für Dich das Verbindende in der Kunst, was im Design?

Christina Balcke-Herlyn: In der Malerei drücke ich das eigene Sehen aus. Ganz subjektiv. Wobei unbewusst schon Strömungen des Zeit­geistes einfließen. 
Beim Design ist das anders: Da geht es von Beginn an darum, eine gemeinsame Vision mit dem Kunden zu entwickeln. Einen gemein­samen Stil, ein Verständnis von Inno­vation. Gute Möbel­produkte wirken identitäts­stiftend. Das erkenne ich auch in dem seit Jahren sehr kontinuier­lich entwickelten Auftritt von GERA. Die durch­gängige Ästhetik der Marke wirkt ansteckend.

GERA: In Eurer Zusammen­arbeit mit arsnova war zuletzt zu hören, dass „der Kunde weiblich“ sei. Wirken sich solche Formeln auf das heutige Möbel­design überhaupt aus?

Joerg Dietz: Für Frauen muss anders gestaltet werden, sie kaufen anders. Wer nach der Formel „Shrink it and pink it!“ gestaltet, macht es sich aber zu einfach.

Christina Balcke-Herlyn: Frauen entscheiden vorwiegend Accessoire-orientiert. Das hat z.B. IKEA erkannt. Sie bevorzugen den Blick auf zusammen­hängende Wohn­welten, nicht auf inno­vative technische Details.

GERA: Ist das Design von GERA aus eurer Sicht geschlechts­spezifisch geprägt?

Christina Balcke-Herlyn: Nein, das finde ich nicht. GERA gestaltet vor allem mit Licht. Das ist ein mensch­liches Grund­bedürfnis und überzeugt Frauen und Männer gleichermaßen. 

GERA: Ihr setzt die GERA Pendelleuchte 40x10 als Arbeits­leuchte im Büro ein. Was hat euch an dem Modell überzeugt?

Christina Balcke-Herlyn: Wir verfolgen das Konzept einer „Arbeits­tafel“. Die Leuchte konnten wir indivi­duell in fast 4m Länge bekommen. Das Licht scheint aus dem Nichts zu kommen. Diese feine und elegante Leuchte fügt sich sehr diskret in den Raum und „funktioniert" auch, wenn sie ausgeschaltet ist.

GERA: Joerg, Du arbeitest seit langem als Entwickler von Möbel­dekoren und Möbel­ober­flächen. Eure jüngsten Möbel­entwick­lungen beinhalten künst­liches Licht als weitere Zutat. Wie vertragen sich diese Kompo­nenten miteinander?

Joerg Dietz: Ein Möbel­design ist mit seiner Wirkung von Farbe, Dekor, Struktur und Ober­fläche ein nicht zu veränderndes Statement. Licht bringt hier einen zusätzlichen hoch­emotionalen Faktor mit ins Spiel. Besonders faszi­nierend ist es, mit der Licht­farbe die Wirkung des Möbels und die Atmos­phäre des Wohnens zu beein­flussen. Licht als Raum­gestaltungs­element hat ein großes Potential.

GERA: Nach­haltigkeit als gesellschaftliches Leit­bild hat sich zumindest als Marketing­begriff bereits etabliert. Inwie­weit können Möbel­designer zur Erreichung dieses Leit­bildes beitragen und was ist Euer nach­haltigster Wunsch in diese Richtung? 

Joerg Dietz: Möbel müssen liebens­werter werden. Sie müssen mehr bieten als Trend und niedrige Preise. Die Qualität der System­möbel aus den 1980er und 1990er Jahren ist da vorbildlich. Die Designer von Flötotto, interlübke oder USM haben ihre Möbel mit dem Potenzial zum Weiter­verwenden, zum Umnutzen und Über­dauern ausgestattet. Möbel mit Geschichte. Solche Impulse müssen Designer wieder­beleben.

Christina Balcke-Herlyn: Viele Upcycling-Ansätze junger Designer gehen in diese Richtung. Neue Möbel als Collage aus Altem.

GERA: Liebe Christina, lieber Joerg, ich bedanke mich herzlich für dieses Gespräch.